CDU-Kreisverband Prignitz

Gleiche Probleme, nur längere Wege

Interview zur Kommunalreform mit CDU-Landrat Hans Lange

Die Enquetekommission des Landtags zur Kommunal- und Verwaltungsreform hat nach zweieinhalb Jahren ihren Abschlussbericht verabschiedet. Darin plädiert sie dafür, die bislang 14 Landkreise auf sieben bis zehn Großkreise zu reduzieren. Die bestehenden Gemeinden bleiben erhalten, allerdings sollen die Kommunalverwaltungen zentralisiert werden und Amtsgemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnern entstehen.

Was bedeutet das für die Prignitz? Wie groß könnte unser Kreis werden, wie könnte er aussehen? Ist so eine Reform wirklich notwendig und kann sie halten, was sie verspricht? Fragen, die Redakteur Hanno Taufenbach in einer Serie an Landrat Hans Lange (CDU) und an die drei Prignitzer Landtagsabgeordneten Thomas Domres (Linke), Gordon Hoffmann (CDU) und Holger Rupprecht (SPD) stellt. Heute: Landrat Hans Lange
Die Enquetekommission des Landtags zur Kommunal- und Verwaltungsreform hat nach zweieinhalb Jahren ihren Abschlussbericht verabschiedet. Darin plädiert sie dafür, die bislang 14 Landkreise auf sieben bis zehn Großkreise zu reduzieren. Die bestehenden Gemeinden bleiben erhalten, allerdings sollen die Kommunalverwaltungen zentralisiert werden und Amtsgemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnern entstehen.

Was bedeutet das für die Prignitz? Wie groß könnte unser Kreis werden, wie könnte er aussehen? Ist so eine Reform wirklich notwendig und kann sie halten, was sie verspricht? Fragen, die Redakteur Hanno Taufenbach in einer Serie an Landrat Hans Lange (CDU) und an die drei Prignitzer Landtagsabgeordneten Thomas Domres (Linke), Gordon Hoffmann (CDU) und Holger Rupprecht (SPD) stellt. Heute: Landrat Hans Lange

Herr Lange, welches Gefühl beschleicht einen Landrat, wenn er das Wort Kreisgebietsreform hört?

Hans Lange: Auf keinen Fall ein gutes. Eine Gebietsreform ohne eine umfassende Funktional reform mit einer komplexen Definition der Daseinsvorsorge als zentrale Aufgabe ist nicht zielführend. Ein neuer Gebietszuschnitt kann nur der Schlussstein eines umfangreichen Prozesses sein.

Aber die Kommission hat doch klar für eine Reduzierung der Landkreise plädiert, und die Prignitz zählt bei weitem nicht zu den wirtschaftlich und einwohnerstärksten Kreisen im Land.

Die Kommission stellt die These voran, dass eine Gebietsreform im Ergebnis bürgernah, effektiv und effizient ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, wir sind heute weder bürgernah noch effizient. Ich aber behaupte, dass sich in den vergangenen 20 Jahren ein ordentlicher Kreis mit funktionierenden Strukturen entwickelt hat. Wir erfüllen unsere Aufgaben. Das haben übrigens mehrere unabhängige Untersuchungen belegt.

Also brauchen wir die Kommission und ihre Ergebnisse nicht?

Doch, aber in der richtigen Reihenfolge. Die Kommission sagt, dass vor der Gebiets- eine Funktionalreform kommen muss. Das ist eine wichtige Feststellung. Wir müssen festlegen, wer hat welche Aufgaben warum zu erledigen. Und wenn die schlechte Finanzlage der Landkreise als Auslöser für eine Gebietsreform herangezogen wird, müssen wir fragen, warum es den Kreisen so schlecht geht. Dann sind wir wieder bei den Aufgaben.

Bitte erklären Sie uns das.

Zwei Beispiele möchte ich Ihnen nennen. Wenn es heißt, die Verwaltung beschäftigt zu viel Personal, muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass wir mit weniger Personal auskommen. Er muss uns also von Aufgaben befreien. Gerade mal ein bis drei Prozent unseres Haushaltsvolumens machen freiwillige Aufgaben aus. Alles andere ist Pflicht.

Das zweite Beispiel betrifft unsere Schulden. Für die Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) zahlen wir im Jahr rund 23 Millionen Euro, bekommen aber nur 15 davon als Zuschuss. Acht Millionen stammen aus dem Kreishaushalt für Aufgaben, die uns der Gesetzgeber auferlegt. Stellen Sie sich nur einmal vor, diese Kosten würden vom Bund getragen. Wie gut könnte es uns dann gehen.

Aber in diesem Punkt gibt es Bewegung. Der Bund übernimmt die Kosten für die Grundsicherung im Alter. Hoffen Sie auf mehr Zugeständnisse?

Ja, zum Beispiel was die gerade erwähnten Kosten für Hartz IV betrifft, aber auch die Kosten der Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem SGB XII und die Zuschüsse für Kitas. Signale vom Bund gibt es, und eine große Koalition wäre für solche Entscheidungen richtig gut.

Aber nur auf zugegebener maßen gerechtere Zuschüsse zu hoffen, reicht doch sicherlich nicht aus. Können Kreise sparen, wenn sie enger zusammenarbeiten?

Bei Leistungen mit wenig Publikumsverkehr oder ohne Außendienst mag das gehen. Da kann man sich die Erledigung von Aufgaben teilen oder es genügt eine Sprechstunde. Bei der Denkmalpflege kann ich mir das beispielsweise nicht vorstellen. Dann würden die Fahrwege viel zu lang werden.

Was muss geschehen, damit Kreise so etwas ernsthaft angehen?

Konkret kann ich das nicht benennen. Ein Beispiel wäre Fachkräftemangel wie bei den Ärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst. Da sind Kreise zeitweilig schon jetzt gezwungen, zusammenzuarbeiten. Wesentliche Voraussetzung ist aber, dass die Kreise es wollen, Vorteile sehen und offen aufeinander zugehen.

Es fällt schwer zu glauben, dass Kreise oder Kommunen so einsichtig sind und freiwillig auf etwas verzichten. Wäre eine Gebietsreform nicht in der Tat der Weg zu mehr Effizienz?

Das will ich überhaupt nicht ausschließen. Wenn es hilft, dann auch dieser letzte Schritt. Aber bis dahin sollten wir uns Zeit lassen, keine voreiligen Entscheidungen treffen, die nicht revidierbar sind. Skeptisch bin ich dennoch.

Warum diese Skepsis?

Durch neue Kreisgrenzen kaschieren wir bestenfalls die Bevölkerungszahl, aber vergrößern sie nicht. Durch eine Reform verkürzt sich kein Schulweg und auch keine Straße, die wir unterhalten müssen. Die Reform in Mecklenburg hat es gezeigt: Die Probleme in den Kreisen sind die gleichen geblieben, nur die Wege haben sich verlängert. Eine Ersparnis ist nicht zu spüren. Die neuen Kreise haben mehr Schulden als die alten.

Es sind ja mehrere Varianten im Gespräch, unter anderem die Fusion mit Havelland. Was spräche dagegen?

Der Alltag. Wie soll ein Kreistagsabgeordneter, der kurz vor Spandau wohnt, guten Gewissens Entscheidungen treffen, die die Menschen in Lenzen berühren. Er kennt doch gar nicht die dortigen Gegebenheiten und umgekehrt ist es genauso.

Was raten Sie als Landrat den Landtagsabgeordneten zu diesem Thema?

Die Krankheit Strukturschwäche und sinkende Einwohnerzahlen wird keine Gebietsreform bekämpfen können, allenfalls die Symptome. Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir Lebensqualität und Daseinsvorsorge definieren und sagen, wie diese zu finanzieren, zu realisieren sind. Erst dann können wir abschließend über eine Gebietsreform reden.